Mupfelinchen.
Mupfelinchen. Du warst sehr wütend und enttäuscht von Deinem Freund, als Du Deine Beiträge verfasst hast, oder? Zu einem gewissen Teil steht Dir das auch zu. Aber dass Dein Freund nun hier wie ein Arsch dasteht, das ist auch mit darauf zurückzuführen. Nicht alleine, aber auch mit darauf.
Du beschreibst ihn als Verstandes-Menschen. Emotionslos. Ich frage Dich. Was weißt Du über seine Kindheit? Für mich klingt es so, als kenne er all das Verhalten, das er an den Tag legt und habe es am eigenen Leib erfahren. Daraus entspringen mehrere Sorten Mensch. Die, die sich zum eigenen Schutz komplett selbst aufgeben, und dazu gehört, Emotionen abschalten. Sie neigen dazu, diese Fehler nicht als solche wahrzunehmen, zu "wissen", dass es die Eltern eben gut meinen und das ist dann auch so. Würden sie fühlen wüssten sie, dass die Eltern es zwar gut meinen, aber auch im gut meinen große Fehler machen können, von denen wir alle nicht befreit sind. Und es gibt die zweite Sorte Mensch, die weiß, dass die Eltern Fehler machen, auch das Wissen beibehält, dass das Verhalten der Eltern eben das Verhalten der Eltern ist und nichts über die Qualität der Beziehung aussagt, und auch nichts über das Kind als Menschen. Ja, es gibt Kinder, die dieses Wissen bereits haben. Eigentlich hatten wir es irgendwann alle, dass wir wussten, dass der Umgang anderer Menschen mit uns etwas über sie als Mensch aussagt und nicht über uns. Und es gibt diejenigen, die das Verhalten der Eltern komplett emotional auffassen und entsprechend alles auf ihr Selbstwertgefühl schaufeln, sich schlecht fühlen, unfähig, ungewollt.
Letztlich sind Eltern auch nur Menschen, die wiederum auch nur Produkt ihrer Eltern sind. Irgendwann gab es den Punkt, da wären sie in der Pflicht gewesen, ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln, aber konnten es aus den unterschiedlichsten Gründen eben nicht. Emotionale Misshandlung (die zieht sich sowieso seit Generationen durch unsere Gesellschaft, denn die westliche Welt ist eine Verstandes-Welt, dort ist kein Platz für dieses unberechenbare Ding Emotionen und Gefühle - Wobei Gefühle ja völlig ok sind, Emotionen auch, aber eben nicht, wenn sie zum Selbstläufer werden und der Kopf dabei nicht mehr bremsend, sondern noch fütternd mitspielt)... Es entstehen Abhängigkeiten, die man eigentlich beheben könnte, aber eben nicht, wenn man nur in der Opferrolle hängt und darauf beharrt, dass die Eltern alles falsch gemacht haben. Wir würden später auch nicht hören wollen, dass wir ALLES falsch gemacht haben. Und letztlich liegt es einfach nicht in unserem Ermessen, ob wir als Eltern richtig oder falsch handeln, das ist völlig relativ, und das entscheiden die Kinder.
Nehmen wir den "Kuschelentzug"... Vielleicht hat Dein Sohn es lieber, dass gar nicht mit ihm gekuschelt wird als dass jemand mit ihm kuschelt, der gerade gar nicht will. Was wäre Dir lieber? Einen Menschen für körperliche Nähe, der EIGENTLICH gar nicht will, und dessen Unlust Du deutlichst spürst? Oder doch lieber einen Menschen, der Dir sagt, dass er gerade eigentlich nicht kuscheln will und es dann vielleicht an anderer Stelle mit Qualität macht anstatt darauf zu achten, dass er es bloß nicht ausfallen lässt, weil andere es werten könnten und nicht mit dem Herzen dabei ist?
Ich mache es genauso wie Dein Freund. Wenn ich unsere Tochter ins Bett bringe und es zieht sich z.B. alles ewig lange hin. Dann ist auch einfach irgendwann Schluss. Ich will nicht meinen ganzen Abend dort verbringen, weil sie rumtrödelt und noch stundenlang Quatsch macht. Und das weiß sie eben inzwischen. Das hat auch nichts mit "Kuschelentzug" zu tun, sondern einfach damit, dass ich lieber ein echter Mensch bin, der ihr sagt: "Hey, JETZT ist aber meine Geduld überspannt und ich gehe jetzt raus. Wir hatten jetzt 20 Minuten Zeit zum Kuscheln, die Du vertrödelt hast für andere Sachen, tut mir Leid, aber ich möchte jetzt rausgehen und meine restlichen Dinge erledigen, die möchte ich nicht um 21 Uhr machen." Punkt, Aus, Ende. Ich möchte eben auch wie jeder andere Mensch auch abends dann Zeit für mich. Wir verbringen die Tage miteinander, kuscheln da auch immer wieder, spielen. Aber irgendwann ist eben einfach Ruhe. Das ist meine eigene Struktur, die ich für mich brauche und viel zu lange aufgegeben habe, mich selbst aufgegeben habe. Irgendwann kommt dafür der Denkzettel, und DER ist nicht lustig.
Das Zweite, was ich Dich frage. Wie findest Du es, wenn er etwas unsinnig findest, was Du machst, und dagegen geht? Auch noch so dagegen geht, dass er sagt, so einen Schwachsinn macht er nicht mit? Würdest Du das wollen? Wenn nicht, dann solltest Du das auch nicht tun. Wie ich im anderen Beitrag geschrieben habe, Ihr verhaltet Euch beide nicht korrekt. Aber Du kannst offensichtlich genauso wenig aus Deiner Haut heraus wie er aus seiner.
Der nächste Punkt. Wir Frauen, wir wollen "richtige Männer"... Was sind für uns Frauen richtige Männer? Diejenigen, die schaffen gehen und Familienleben Familienleben sein lassen, Hauptsache sie scheffeln die Kohle nach Hause? Harte Kerle, die sich nicht mit so nem Scheiß wie Gefühlen und Emotionen rumschlagen? Oder doch lieber Männer, bei denen man merkt, dass sie auch Mensch sind und keine Maschine? Die auch mal nicht so funktionieren, wie wir es erwarten würden, dafür aber psychisch gesund bleiben? Oder tatsächlich lieber Maschine bis zum Umfallen, bis zum gänzlichen körperlichen Zusammenbruch? In meiner Familie sind letztere die "besseren" Männer... Mir wurde noch vor Kurzem gesagt: "Siehste, der schafft bis er fix und fertig ist, der nimmt sich nicht wie andere mal nen Krankenschein wegen Burn Out". Spitzenleistung, wirklich. Hat nen Leistenbruch, schon Herzinfarkte gehabt, aber macht nix, Hauptsache die Kohle fließt noch.
Nee, mir sind diejenigen lieber, die auch mal Fehler machen, vor allem auch mal Gefühl zeigen und mal selbst auch ne Schulter zum Anlehnen brauchen. Aber was denkt denn unser männliches Gegenstück? Schaffe, Schaffe, Häusle baue. DAS ist das Rollenverständnis, das in vielen männlichen Köpfen noch drin ist. Das Verständnis: "Mein Sohn ist ein guter Mann, denn er geht arbeiten und bezahlt seine Steuern." Ach. Nun, als Familienvater und Ehemann vergeigt er's zwar völlig, aber Hauptsache der Ruf ist nicht ruiniert, weil die Steuern gezahlt werden. Das ist immernoch ein sehr gängiges Bild, das ich an vielen Ecken wiederfinde. Die Familienväter von heute haben etwas, was von ihnen erwartet wird. Aber nichts, woran sie sich orientieren können, zumindest einige nicht. Die früheren Väter waren komplett anders. Wir Frauen können sagen: Uns hat das und das bei unserem Vater gefehlt, und das erwarten wir dann eben von unserem Partner. Und gerade durch dieses unterschiedliche Auffassen entstehen große Konflikte. Einerseits wollen wir, dass die Männer auch mal "unmännliche" Aufgaben übernehmen, Kinder hüten, etc. Andererseits aber doch bitte SO, wie wir Frauen das machen. Im Übrigen, um auf die obige Situation zurück zu kommen mit der emotionalen Misshandlung: Männer neigen dazu, mit Emotionslosigkeit zu reagieren, denn wer Gefühle und Emotionen zeigt ist kein Mann.
Wir Frauen haben doch schon bei unseren eigenen Kindern den Drang, Emotionen als Böse zu empfinden. Wie schnell haben wir Probleme damit, wenn unsere Kinder wütend sind. Und Traurig. Das ist aber nicht böse, das ist Natur. Es gehört zu uns dazu. Wir selbst empfinden unsere eigenen Emotionen doch oft als Böse. Wilde Mädchen, die auch mal raufen? Oh Gott, was musste ich mich bei unserer Tochter damit anfreunden, dass sie nicht "typisch Mädchen" ist... Was musste ich mich überhaupt bei ihr damit anfreunden, dass sie in keinem einzigen Punkt "typisch" ist... War ich es doch total... Klar, wurde mir ja auch so beigebracht...
Es kommt der Punkt, da steigt ein Mensch aus aus diesen Vorstellungen. Manchmal kommt es von alleine. Bei anderen kommt es durch den Partner.
Mein Mann war genauso wie Dein Freund. Und es hat gedauert. Viele haben mir, wenn ich erzählt habe, gesagt: "Oh Gott, wie kannst Du nur mit so jemandem zusammen bleiben. Das arme Kind."
Das "arme Kind" ist eine dermaßen starke Persönlichkeit. Ich habe sie nie gegen den Papa aufgehetzt, habe ihm meine Meinung immer nur hintenrum gesagt. Wenn mir vornerum etwas nicht gepasst hat, habe ich ihm ruhig auf die Schulter getippt (hatten wir irgendwann so abgesprochen) und habe das Ruder in die Hand genommen. Es gab auch Zeiten, in denen ich ihm jegliche Aufgabe abgenommen habe mit der Aussage: "Ich möchte nicht, dass Du so mit ihr umspringst, ich möchte, dass Du darüber nachdenkst, ob das richtig ist, was Du machst." Und habe immer SIE gestärkt, indem ich ihr immer wieder gesagt habe: "Wenn jemand etwas macht, was Dir wehtut, dann HÖR darauf! Und sag laut und deutlich stopp!"
Nun, die Quittung hab ich heute, da wir uns oft genug anhören müssen, sie wolle ausziehen, es ist so doof hier. Immer, wenn ihr eben etwas nicht passt. Aber es ist ok. Sie kommt danach von selbst und entschuldigt sich, dass sie halt soooo wütend war. Dann reden wir darüber, ich sage ihr, dass ich solche Aussagen nicht hören möchte, dass sie jederzeit sagen darf, dass sie wütend ist, aber nicht SO und wir überdenken einen besseren Ansatz.
Aber das ist sauviel Zeit und Geduld, die man sich nehmen muss. Mit sich selbst (man ist ja auch nicht fehlerfrei), mit dem Kind und auch mit dem Partner.
Sieh Dir diese Verhaltensweisen Deines Freundes als Hilfeschrei seines inneren Kindes an. Er KENNT Emotionen und Gefühle offenbar nicht. Weil er sie nicht erfahren hat. Wenn Du ihn liebst, und Dir sicher bist, ihn unterstützen zu wollen, dann hilf ihm, das wieder zu finden. Und verurteile ihn nicht für sein Verhalten, sondern bemitleide ihn dafür. Ich fände es furchtbar, ohne Emotionen und Gefühle zu leben, denn man verpasst unglaublich viel, und das basiert auf Emotionen und Gefühlen, basiert auf Empathie. Es ist das schönste Gefühl für mich, mich mit anderen mitfreuen zu können, aber eben auch mal mit anderen mit zu weinen. Ich konnte es lange nicht...
Wir alle wollten auch nicht, dass man uns vor die Türe setzt, sobald wir nicht funktionieren. Und oft trauen wir uns auch gar nicht, Probleme rechtzeitig anzusprechen, sondern warten, bis es zu spät ist und platzen dann direkt.
Aber ich frage Dich. Hast Du WIRKLICH das Gefühl, Dein Sohn leidet unter Deinem Freund? Beschreibe mir doch vllt. einmal, wie Dein Sohn mit ihm umgeht. Hast Du das Gefühl, er liebt ihn? Hast Du das Gefühl, Du würdest ihm etwas Gutes tun, wenn Du ihn aus der Obhut Deines Freundes "befreist"?
Kinder können uns etwas wunderbares lehren: bedingungslose Liebe. Auch wenn man mal mies mit ihnen umgeht, sie kündigen einem die Liebe nicht. Auch wenn man längere Zeit mit ihnen scheiße umgeht kündigen sie die Liebe nicht. Das ist kein Freifahrtschein, zu bleiben wie man ist. Aber es ist auch kein "Grund", sie sofort zu "schützen". Das Wichtigste in Eurer Situation ist, dass Du Dir nicht von Leuten, die Euch nicht kennen, aufdiktieren lässt, was Dein Freund anhand Deiner (eventuell auch überemotionalen) Schilderungen mit Eurem Sohn macht, sondern dass Du Dir mit Hilfe der gesamten Situation bei Euch zuhause ein Bild davon machst, ob es Deinem Sohn dauerhaft schadet oder nicht. Andere Menschen sind dafür kein Maßstab! Nur Dein Sohn ist derjenige, dem Du ansehen und von dem Du erfahren kannst, ob es ihm schadet. Denn auch vom Papa trennen könnte ihm schaden. Dafür gibt es kein Allgemein-Rezept. Es ist so individuell wie jeder Mensch auch.
In allen Ehren, dass es hier Menschen gibt, die so ehrlich und offen sind zu sagen, was so etwas mit ihnen gemacht hat. Es ist keine Garantie, dass das Gleiche mit Deinem Sohn passiert (denn er ist einfach anders gestrickt, er ist einzigartig wie jeder Mensch). Es gibt aber auch keine Garantie, dass das nicht passiert. Schau Dir Deinen Freund aufmerksam an, und auch Deinen Sohn. Beziehe BEIDE in dieses Geschehen mit ein und sage vllt. notfalls auch mal Deinem Freund, dass Dein Sohn Distanz zu ihm bekommt und ob er das wirklich möchte. Oder ob er eine Beziehung zu Eurem Sohn behalten oder gar bekommen möchte. Frag ihn einfach mal, ob er mit Freunden genauso umgehen würde wie mit Eurem Sohn, und was Euren Sohn von Freunden unterscheidet. Respekt gehört in jeder Beziehung dazu, aber die muss dann auch JEDER davon leben, Du, er und Euer Sohn wird es dann lernen.