Zweiter Anlauf...
Hallo,
ich habe es zwar nicht in dieser Konstellation durchgemacht, aber wir hier, als Herkunftsfamilie erleben momentan ähnliches. Meine Kinder lebten 3 Jahre lang in einer nicht so guten Pflegefamilie. Pflegeerlaubniss mittlerweile entzogen, nach unangekündigten Kontrollbesuchs des JAtest usw. Aber das tut hier nichts zur Sache.
Die ersten Monate nach der Rückkehr lief es auch wirklich prima. Die Jungs waren artig, haben geholfen usw. Ähnlich wie bei dir fing es dann ganz urplötzlich an schief zu gehen. Es wurde gelogen, geklaut, geschlagen (die kids untereinander) und vieles mehr. Was ich dir aus dieser Erfahrung herraus raten möchte ist folgendes.
Zuerst einmal solltet ihr einen Kinderpsychologen aufsuchen. Der Junge scheint in seinen kurzen Leben schon sehr sehr viel durchgemacht haben zu müssen. Ständige Wechselhafte Pflegefamilien, Heime usw. Das hinterlässt natürlich Spuren an einen Kind. Erst die Eltern bei denen es nicht bleiben kann/darf, dann die Pflegeeltern die ihn nicht haben wollen und die Heime. Ich vermute das er ganz arge Verlustängste hat, und diese durch sein negatives Verhalten zeigt. Er denkt warscheinlich, das auch ihr ihn wieder wegschicken werdet, wenn es schwer wird mit ihm oder er für Ärger sorgt, und unterbewusst, was die Antwort "Ich weiß nicht" zeigt, arbeitet er genau daraufhin zu obwohl er es eigendlich doch gar nicht möchte.
Auch wenn er Anfangs ein "Traumkind" war wie du es beschreibst, wollte er sich erstmal von seiner besten Seite zeigen damit er endlich mal wo bleiben darf. Allein dieses verhalten zeigt schon wie sehr er sich nach liebe und beständigkeit sehnt. Mit seinen schweigen drückt er, meiner Meinung nach, nur seine Angst und seine Hilflosigkeit aus, die er empfindet.
Hast du schon mal versucht ihn in den Arm zu nehmen? Ich mein nicht dann wenn er lieb und artig war, nein, genau in einer solchen Situation wo er mal nur "mist" gebaut hat, ob jetz das klauen, das lügen oder die schlechte Note die verschiegen wurde. Kennst du den Spruch "Und liebe mich wenn ich am wenigsten Liebenswert bin" Was meinst du, wie verwundert ein Kind ist, das just in diesen Augenblick mit einer Standpauke rechnet und dann aber nur in den arm genommen wird und gesagt bekommt wie liebenswert es eigendlich ist.
Klar, es ist schwer in einer solchen Situation auch noch zu knuddeln und kuscheln, aber versuch es mal. Es wirkt manchmal wirklich ware Wunder, und führt auch dazu das sich die Situation wieder entspannt.
Des weiteren gibt es Erziehungsberatungsstellen, die sind nicht nur für leibliche Eltern da, sondern genauso für Pflegeeltern. Erkundige dich einfach mal bei der Caritas oder Pro Familie, je nachdem was es bei euch so gibt, die können sicher weitervermitteln. Manche sind auch Jungendamtsunabhängig und benötigen eine Einverständniss eurerseit Daten weiterzugeben. Dort kannst du alleine, oder mit deinen Pflegekind zusammen Beratungstermine warnehmen. Diese Beratungen sind wirklich meistens sehr kompetent und hilfreich.
Den größten Fehler, den ihr jetzt machen könnt ist, ihn wieder herzugeben, auch wenn es "nur" das Internat ist. Daraus lernt er wieder nur, das er abgeschoben wird wenn er nicht funktioniert, und auf dauer gesehen wird es ihm auch nicht helfen, sondern das spielchen geht von vorne los. Der kleine hat wohl wirklich arge Bindungsprobleme, was nicht verwunderlich ist, wenn alle Bezugspersonen stetig wechseln.
Mein Rat ist nicht aufzugeben, und nochmal intensiev darüber nachzudenken, warum ihr damals Pflegeeltern werden wolltet. Doch sicherlich nur, weil ihr einen Kind, das schlimmes hinter sich hat helfen wolltet. Diese Aufgabe ist nicht leicht und verlangt große Mühen und Kraft von einen. Ihr müsst jetzt darum kämpfen dass das Kind lernt, das es bei euch Vertrauen haben darf, und eine Bindung eingehen darf.
Und bitte, vergleicht ihn nicht mit seiner Schwester, das macht ihn sicherlich nur noch agressiever den Geschwistern gegenüber. Da sieht er nämlich dann lediglich "Toll die ist immer die perfekte und ich der blöde" (mal hart ausgedrückt)
Er ist er, und Sie ist sie. Jedes Kind geht anders mit einen solchen Schicksal um. Des weitern ist die Schwester ja auch schon 15, und vielleicht einfach auch reifer. (sollen Mädels ja eh immers sein, reifer und weiter als die Jungs)
Ich möchte dir noch eine Seite für Pflegeeltern empfehlen. http://www.pflegeeltern.de
Da sind viele Pflegeeltern versammelt und du bekommst sicher dort mehr antworten als hier. Zu guter letzt noch viel Glück und Kraft. Und gebt nicht auf! Und noch ein kleiner Text der oft passend ist.
LG Cel
Der Wildrosenstrauch
Es waren einmal ein Mann und eine Frau. Die hatten sich ein kleines Häuschen gebaut und daneben einen Garten angelegt.
Eines Tages kam der Eigentümer des Landes vorbei, schaute sich den Garten an und stellte lächelnd einen kleinen Rosensetzling vor das Tor.
Das tat er oft in seinem Land, doch sagte er nie dazu, um welche Sorte es sich handelt und wie man sie pflegen muß. Die Rosenzüchter mußten selbst die Bedürfnisse ihrer Geschenke erforschen.
Die Beiden freuten sich über den Setzling und pflanzten mitten ins Herz ihres Gartens.
Dort begann er zu ihrer Freude kräftig zu wachsen.
Sie liebten ihren Rosenstrauch.
Doch bald schon war zu erkennen, daß er anders war, als die Rosensträucher, die sie kannten.
Er wuchs schnell und wild in alle Richtungen.
Auch seine Blüten waren anders. Nicht so groß und voll wie die im Nachbargarten, sondern klein. Man mußte genau hinschauen, um ihre Schönheit zu erkennen. Aber dafür waren es hunderte!
Und der Duft- nur wer ganz dicht herankam, konnte ihn wahrnehmen. Aber er war ursprünglicher und echter als alle bisher gekannten Düfte
Sie hatten viel Arbeit mit ihrem Rosenstrauch. Ständig mußten sie darauf achten, daß er sich selbst und anderen nicht schadete.
Sie mußten ihn zurückbinden, weil er den Weg zuwucherte, sie mußten ihm Stützen geben, weil sein übermütiges Wachsen ihn in Gefahr brachte, abzubrechen, sie mußten ihn manchmal hindern, den anderen Blumen das Licht zu nehmen.
Und doch - sie liebten ihren Wildrosenstrauch.
All das war mühsam, aber sie taten es gern.
Doch immer öfter blieben die Leute kopfschüttelnd vor ihrem Garten stehen. Sie murmelten sich zu: "Die sollten sich mal besser um ihren Rosenstock kümmern! Wie der wächst, das kann man doch nicht zulassen!"
Erfahrene Rosenzüchter gaben ihnen Ratschläge. Die waren sicher alle gut und richtig - nur auf ihren Rosenstrauch paßten sie nicht, daß fühlten sie.
Besonders weh tat ihnen die Bemerkung eines Freundes, der selber noch gar kein Rosenzüchter war.
Er sagte: " Ihr macht das ganz falsch, das sehe ich. Ich habe schon so vielen Rosenzüchtern zugesehen, ich weiß wie das geht.
Ihr müßt diesen Strauch ganz kurz schneiden,bis auf die Erde herab. Und wenn er dann wieder austreibt, dann schneidet ihr alles ab, was nicht normal aussieht.
Ihr werdet sehen, dann vergehen ihm diese Flausen und er wird gerade wachsen und vernünftige Blüten hervorbringen!"
Die Leute wurden traurig. Machten sie es wirklich so falsch? Sie wollten doch nur das Beste.
Denn sie liebten ihn doch, ihren Wildrosenstrauch!
Sie gingen durch das Dorf und schauten in alle Gärten hinein. Da bemerkten sie, was ihnen noch nie so aufgefallen war: es gab noch mehr Wildrosensträucher.
Aber wie sahen die aus! Einige waren bis zum Verkümmern beschnitten, andere wucherten völlig haltlos herum.
Viele waren aus dem Herzen des Gartens in einen dunklen, versteckten Winkel verpflanzt worden.
Nur wenige konnten sich frei entfalte und bekamen doch die Stütze, die sie brauchten.
Doch diese Wenigen waren von so einer wilden Schönheit, daß es ihr Herz anrührte.
Sie sahen sich an und wußten, was sie tun wollten.
Und sie liebten ihn, ihren Wildrosenstrauch.
So pflegten und stützten sie ihn.
Genug, daß er Halt hatte und doch nicht so sehr, daß er zerbrach.
Sie hatten viel Mühe mit ihm und manchmal dachten sie, wie viel leichter es mit einem anderen Rosenstrauch wäre.
Für dessen Blüten würden sie sogar noch Anerkennung bekommen.
Doch wenn sie sich auf ihre kleine Gartenbank setzten, über und um sich tausen kleine Blüten und eingehüllt in einen wunderbaren Duft, da wußten sie,das es sich lohnte.
Oh, wie sie ihn liebten, ihren Wildrosenstrauch.
Eines Tages ging der Besitzer des Landes durch das Dorf.
Vor jedem Garten blieb er stehen und betrachtete die verschiedenen Rosenträucher. Manchmal lächelte er, aber oft schüttelte er auch traurig der Kopf und sah sorgenvoll aus.
Als er zum Garten der Beiden kam, blieb er lange stehen.
Dem Mann und der Frau war es etwas bange zu Mute. Waren sie wirklich verantwortungsvoll mit dem Geschenk umgegangen? Sie hatten getan, war sie für richtig hielten.
Aber war es das auch? Hätten sie nicht doch...
Der Betrachter am Zaun sagte kein Wort. Aber als er weiterging, strahlten seine Augen und es schien ihnen, als pfiffe er eine vegnügte Melodie.
Da wußten sie: Er liebt ihn, so wie er ist, ihren Wildrosenstrauch!