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Samenspender darf nicht anonym bleiben
Jeder Mensch hat das Recht zu erfahren, wer sein leiblicher Vater ist - auch wenn er durch eine anonyme Samenspende gezeugt wurde. Das entschied am Mittwoch (06.02.2013) das Oberlandesgericht in Hamm. Eine junge Frau hatte geklagt.
Die Klägerin war durch eine Samenspende im Essener Zentrum für Reproduktionsmedizin gezeugt worden und ist heute 21 Jahre alt. Um zu erfahren, wer ihr biologischer Vater ist, zog die junge Frau vor Gericht. Sie hat gegen den Klinik-Chef Thomas Katzorke Klage eingereicht, um ihn dazu zu bringen, die Identität ihres Spenders preiszugeben. In der Klinik wurde dem Spender hingegen Anonymität zugesichert. Nachdem die Klägerin in erster Instanz vor dem Landgericht Essen keinen Erfolg hatte, zog sie vor das Oberlandesgericht in Hamm. Dort entschieden die Richter am Mittwoch (06.02.2013) in ihrem Sinne.
Auskunft verstößt nicht gegen ärztliche Schweigepflicht
Das Interesse der Klägerin, ihre Abstammung zu erfahren, sei höher zu bewerten als die Interessen des Beklagten und der Samenspender an einer Geheimhaltung, hieß es in der Begründung. Diese hätten schon bei der Spende mögliche Folgen berücksichtigen und sich auf ein Auskunftsverlangen des Kindes einstellen können. Eine Auskunft verstoße nicht gegen die ärztliche Schweigepflicht, befand das Gericht. Da die Mutter und der gesetzliche Vater der 21-Jährigen mit der Klage einverstanden seien, spielten die Geheimhaltungsinteressen der Eltern keine Rolle mehr. Eine Revision wurde nicht zugelassen, allerdings kann gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt werden.
Justizministerium sieht vorerst keinen Handlungsbedarf
Das Bundesjustizministerium hielt sich zunächst bedeckt bei der Frage nach möglichen gesetzlichen Konsequenzen. Erst wenn eine Entscheidung oberster Gerichte vorliege, sei zu prüfen, ob es gesetzgeberischen Handlungsbedarf gebe, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage. Die Vermutung, dass Männer nach dem Urteil nicht mehr zur Samenspende bereit sein dürften, nannte sie "Spekulation"
Unterlagen sollen nicht mehr vorhanden sein
Die 21-Jährige will nun die Bekanntgabe des Namens mit einem Zwangsvollstreckungsverfahren erzwingen. Die entsprechenden Schritte vor dem Landgericht Essen würden eingeleitet, sagte ihr Anwalt nach dem Urteil. Ob sie tatsächlich den Namen ihres Vaters erfährt, ist unklar. Im Prozess sagte Klinik-Chef Katzorke aus, die Daten zu dem Fall lägen nicht mehr vor. Möglicherweise kämen zwei Männer als Spender in Betracht. Das Oberlandesgericht hegte allerdings Zweifel an dieser Aussage. Nach Ansicht der Richter habe er sich in Widersprüche verstrickt und zugegeben, dass nicht alle Daten vernichtet worden seien.
Katzorke, der bei der Verkündung der Entscheidung nicht anwesend war, bezeichnete das Urteil als "rein theoretisch". Die Unterlagen hätten damals nur zehn Jahre aufbewahrt werden müssen, sagte er in einer ersten Reaktion auf die Gerichtsentscheidung.
Auskunftspflicht nicht geregelt
Die Klage vor dem Oberlandesgericht in Hamm war die erste in dieser Konstellation. "Es gibt kein Gesetz, das die Auskunftspflicht regelt", erklärt Gerichtssprecher Christian Nubbemeyer. Zwar gehöre es zu den Persönlichkeitsrechten eines Menschen, seine Herkunft zu kennen, aber daraus wurde keine gesetzliche Regelung im Falle anonymer Samenspenden.
Schätzungen zu Folge sind in Deutschland seit den 1970er Jahren bis zu 110.000 Kinder durch künstliche Befruchtung mit Samen anonymer Spender geboren worden. Die meisten der so gezeugten Kinder wissen nichts davon.
Können auf einen Samenspender Unterhaltsansprüche zukommen?
Theoretisch ja. Zum Beispiel, wenn sein Sperma an eine Single-Frau ging. Rechtlich könnte später die Situation wie nach einem One-Night-Stand entstehen. Aber auch die Kinder von Paaren könnten theoretisch Unterhalt von ihrem leiblichen Vater fordern. Es wäre rechtlich nur sehr kompliziert. Zuerst müsste ein Kind die Vaterschaft seines sozialen Vaters anfechten und Recht bekommen. Danach müsste der Samenspender als biologischer Vater in einem zweiten Gerichtsverfahren festgestellt und zur Zahlung aufgefordert werden. Beide Fälle sind in Deutschland aber noch nicht vorgekommen. In anderen Ländern sind Spender besser gegen Unterhaltsforderungen geschützt.