Hallo liebe Mamas!
Habe heute einen super Artikel im SPIEGEL gelesen. Thema war, dass Eltern ihre Kinder viel zu sehr überforden mit den ganzen Erwartungen die sie an sie stellen und diesen neumodischen Frühförderprogrammen. Ausserdem, dass Eltern mittlerweile verlernt haben auf ihr Bauchgefühl zu hören und lieber ein Handbuch ala "Was muss ich tun wenn mein Kind schräg guckt und einen Pups lässt"zur Hand nehmen...
ich mach mir mal die Mühe und tippe mal einen Auszug für euch aus. Ich glaube das hilft uns allen (und besonders einigen Müttern hier ganz speziell) etwas relaxter zu werden... is etwas lang, aber ich dacht es lohnt sich.
"..Lisa Mohr blättert weiter. Ab Seite 70 kann sie lesen, wie viel Geschrei normal ist: Fast drei Stunden im Schnitt weinen Babys täglich. Alles andere wäre bedenklich.
Lisa Mohr ist froh. Sie hat es jetzt schwarz auf weiß, ihre Sorgen scheinen berechtigt. Tochter Layla weint oft, mehr als drei Stunden am Tag werden es sein. Nun können Hebamme und Kinderarzt noch tausendmal sagen: "Das Kind ist gesund. Der Anfang ist anstrengend." Lisa Mohr ist für derlei Beschwichtigungen gewappnet. Wenn keiner hilft, werden sich die Mohrs eben selbst helfen. Sie haben ja ihre Bücher.
Von nun an konzentrieren sich Lisa und Stefan Mohr auf Kapitel zwei: "Vom sicheren Umgang mit dem Baby". Lisa Mohr isst keine Zwiebeln und keine Paprika mehr, damit nichts blähendes in Laylas Magen gelangt. Sie lässt tagsüber die Rolläden herunter, damit die Welt nicht hell ist die Baby Layla aus Mamas Bauch nur dunkel kannte. Ehemann Stefan stellt in jedem Zimmer eine Wetterstation auf: 18 Grad Celsius bei konstanten 50 Prozent Luftfeuchtigkeit muss der Raum haben. Im Internet hat er es gelesen, das sei der beste Schutz vor plötzlichem Kindstod. Lis Mohr liest nicht nur Bücher, sie besucht auch Kurse. Sie belegt einen Zahnpflege-, einen Ernährungs- und einen Babykochkurs.
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Mit den Eltern gehen die Nerven durch. Weshalb glauben sie, so viel wie möglich ins Kind reinfördern zu müssen?
Die Sorgen der Eltern sind in den vergangenen Jahren größer geworden. 78 Prozent der Mütter gaben in einer Forsa-Umfrage 2006 an, dass man heute mehr Angst haben müsse als früher - bei gleichbleibenden Kriminalitätsraten und niedrigen Verkehrsunfallzahlen mit Kindern. Frei rumlaufen dürfen Kinder ohnehin kaum mehr. Das Hofkind von früher ist selten geworden. Eltern fahren ihre Kinder mit dem Auto zur Schule, zum Sport, zur Verabredung mit Freunden. "Generation Rücksitz" werden die rumkutschierten bereits spöttisch genanngt. In der Sicherheitstechnik drängen Kinderuhren und -handys mit GPS-Ortung auf den Markt. Damit man immer weiß, wo der Nachwuchs steckt. Alles wissen wollen und trotzdem Angst haben. Was ist passiert mit den neuen Eltern? Warum trauen sie sich nichts mehr zu?
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In der Müchner Kinderklinik hat Assistenzarzt Wolfgang Peissner, 37, die Erfahrung gemacht, dass Eltern häufig wild übertreiben, in der Hoffnung, eine bessere Behandlung zu bekommen. "Sie schildern mir den Fall so dramatisch, dass ich denke: Das Kind muss hierbleiben. Dann gucke ich es mir an, häufig lacht es schon wieder, der UNtersuchungsbefund ist auch in Ordnung." Oft weiß Peissner nicht, wie er den Zustand des Kindes mit den Schilderungen der Eltern zusammenbringen soll. Kind gesund. Vater und Mutter krank. Was soll man als Kinderarzt da tun?
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Das Vertrauen in die Kinder ist kleiner geworden. Man hat den Eindruck, sie müssten es sich hart erarbeiten, indem sie ihren Eltern die Gewissheit bieten, dass sie sich normal und zeitgerecht entwickeln. Schon der kleine Mensch soll nicht von anderen abgehängt werden.
"Das Funktionieren ist zum großen Thema geworden"; sagt Harald Bode. Er war lange Jahre Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin. Als Kinderarzt ist er noch heute am Universitätsklinikum Ulm mit Entwicklungsstörungen befasst. IN seinem Sprechstunden sitzen Eltern mit Kindern, die schwere Behinderungen haben. Die nie laufen, lesen oder schreiben werden. Doch da sitzen auch die anderen, die immer Besorgten.
"Die medizinische Gundversorgung der Kinder in Deutchland ist gesichert"; sagt Bode. "Jetzt stellen die Eltern Fragen nach der Entwicklung, dem Verhalten, der Psyche." Mit anderen Worten: Eltern, deren Kinder körperlich gesund sind, sehen sich nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten um....
In seinen Sprechstunden bemerkt der Mediziner aber auch, wie wenig Väter und Mütter berit sind, mal ein Weilchen abzuwarten. Er nennt das: "Die gesamte Bandbreite kindlicher Entwcklung akzeptieren." Darauf vertrauen, dass ihr Kind schon noch Klötzchen stapeln und Buchstaben schreiben wird.
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Für Heidi Keller sind Ratgeber Einstiegsdrogen. Einer reiche nie, denn auf einen Rat müsse bal der nächste folgen. Keller, 63, ist Professorin für Kleinkindforschung an der Universität Osnabrück. Si befürchtet, dass Eltern, die zu sehr nach Rezepten und Anweisungen handeln, verlernen, ein Gefühl für die eigene Erziehung zu entwickeln. Keller hat an ihrem Institut festgestellt, was passiert, wenn Eltern sich in den ersten Lebensmonaten mehr auf ihren Kopf als auf ihr Bauchgefühl verlassen. In die Babysprechstunden kommen immer mehr Mütter, denen dieses Gefühl abhanden gekommen ist. "Junge Babys brauchen schnell eine Reaktion auf ihr Verhalten";sagt Keller. Das Kind verzieht das Gesicht, die Mutter tröstet es, noch bevor es anfängt zu weinen. Das Kind lächelt, die Mutter lächelt mit. "Das ist die Intuitive Elternreaktion" Wenn sich Eltern aber schon in den ersten drei, vier Lebensmonaten in ihren Gefühleausbremsen, um nachzudenken, welche erzieherischen Konsequenzen ihr Handeln hat, sind die wenigen Sekunden die das Baby warten kann, verstrichen...
So den Rest müsst ihr dann wohl selber nachlesen...ich hab keine Lust mehr :mrgreen:
Nur noch der letzte Absatz des Artiekls...
"Er tippt mit den Fingerkuppen auf den Küchentisch und sagt: "Es ist doch so: Die Kinder können nicht anders sein, als sie sind. Wenn die Eltern sie aber anders haben wollen, beschädigen sie die Kinder." Ratgeber, Kurse, Fernsehshows. Die mag es alle geben. Er könne die Jahre siner Forschung, seiner Praxis im Beruf dennoch recht schnell auf den Punkt bringen: "Am besten wird es dann, wenn das Kind so sein kann, wie es ist."
Quelle: SPIEGEL Nr. 32
"Kinder der Angst" -Autorin:Kerstin Kullmann
Na ich hoffe, dass es sich jemand durchliest. Natürlich nicht so unterhaltsam wie manch provokanter-thread hier. Aber ich fand den Artikl überaus interessant.
Lg Fanta + Krümel (6 Wochen :AMOUR: )