Ich kann
Dir nur aus eigener Erfahrung berichten.
Sowohl als Halbwaise, als auch als Elternteil, die ihrem Kind den Tod nahe bringen musste, weil der andere Elternteil verstarb.
Mir kommen schon direkt die Tränen, aber ich versuche es mal aus jeder Sicht zu schildern.
Als Kind...
Ich war 9 als meine Mutter starb, sie war alleinerziehend. Der Kontakt zu meinem Vater war eher eingeschränkt aufgrund von Streitereien. Ich bin daher bei meiner Großmutter aufgewachsen. Ich wusste nur, dass meine Mutter krank ist, Lungenentzündung und sie bettruhe halten muss. Als sie ins KH kam wurde ich vorher zu meinen Großeltern geschickt. Das war das letzte Mal das ich sie sah. Mir wurde bis ich volljährig war nicht gesagt wpran sie starb, auch nicht dass es schlecht um sie gestellt sei. Sie hatte Leukämie und in Folge einer Hirnblutung mit anschließendem Koma verstarb sie. Heute weiß ich, dass es das Beste für sie war, ehe sie sich quälen muss oder als sabbernder Haufen auf einer Wachkomastation vor sich hinvegetiert. Vor 20 Jahren war ihre Leukämie (akuter Verlauf) auch noch nicht behandelbar. Heute wäre die Medizin schon weiter. Aber es sollte nicht so sein. Sie wäre auch ohne Hirnblutung sehr rasch verstorben.
Es wäre schön gewesen, wenn man mich auf den Tod hätte vorbereiten können. Doch zwischen KH Einweisung und Tod lagen nur wenige Tage. Es wäre toll gewesen, wenn man mir danach auch die Möglichkeit gegeben hätte jederzeit darüber zu reden was passiert ist, doch in meiner Familie wurde es tot geschwiegen im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe lange darum gekämpft um zu erfahren, was meine Mutter hatte. Mein Vater hat es mir dann mal gesagt. Er musste meiner Familie vorher versprechen es mir nicht zu erzählen. Das war falsch. Ich hätte aufgeklärt werden sollen, erfahren sollen warum ich jedes Jahr zu Blutuntersuchungen geschickt werde, wissen warum mich alle so mitleidig anschauen. Einfach reden. Reden ist das A und O in so einer Situation. Besser als alles in sich rein zu fressen (und das nicht nur im übertragenen Sinne) und nie aus sich raus zu kommen. Jahrelang habe ich gedacht ich hätte mich nicht ausreichend um meine Mutter gekümmert als sie krank war, habe gedacht sie wurde krank weil ich nicht lieb war. Ich habe mir die schuld gegeben an ihrem Tod. Ich habe mich selbst dafür gehasst und verlernt mich selbst zu lieben und zu akzeptieren.
Es wäre schön gewesen mehr Erinnerungen an meine Mutter zu haben als ein paar Fotos und einen brief den sie mir aus dem Krankenhaus schrieb. Vielleicht ihr Lieblingskleidungsstück oder ihr Parfum. Aber ich wurde nicht gefragt was ich behalten möchte. Es wurde für mich entschieden. Dinge die mir wichtig gewesen wären wurden entsorgt und Dinge die für mich ohne Wert waren (Ihr Aussteuergeschirr was sie nie benutzt hat, was für mich keinen Wert hat steht nun in meinen Küchenschränken. Das Geschirr was wir täglich nutzten hat meine Großtante sich genommen, Dabei wäre mir das wichtig gewesen. Jeder bekam etwas von ihrem wertvollen chinesischem Geschirr, was ihr unglaublich viel Wert war.... Jeder außer mir) Daher fragt das Mädchen was ihr wichtig ist, bezieht sie mit ein, fragt was sie haben möchte. Sie soll sich auf einige Dinge beschränken, denn sonst müllt man sich ein. Redet mit ihr, bietet ihr an jederzeit für sie da zu sein und als Gesprächspartner bereit zu stehen. Klärt sie mit Büchern auf, was es bedeutet wenn die Mama nicht mehr da ist. Fragt sie, wo sie leben möchte.
Aus der Sicht des lebenden Elterneteils....
Mein Ex, der Vater von meinem Sohn, nahm sich 15 Monate nach unserer Trennung das Leben. Das war 10 Tage nach dem Geburtstag unseres Kindes. Vorher hat er den Kontakt zu uns schon abgebrochen. Wer mich kennt weiß um unsere Geschichte. Die alten Hasen hier kennen sie.
Ich möchte bei meinem Sohn nicht die selben Fehler machen wie sie meiner Meinung nach bei mir gemavht wurden. Ich rede offen mit ihm über seinen Vater. Wenn er fragt antworte ich ihm. Sein Vater ist im Himmel, sitzt auf einer Wolke und passt auf ihn auf. allerdings gibt es leider kein Telefon im Himmel um ihn anzurufen und die Flugzeuge kommen auch nicht so hoch um ihn besuchen zu können. Junior hat sogar geschlussfolgert, dass wenn keine Wolken da sind sein Papa weitergezogen ist um seine Verwandten auch mal zu bewachen. Mein Kind hat mich vor kurzer Zeit gefragt woran sein Vater starb. Ich erklärte ihm, dass sein Papa selbst entschieden hat ein Engel zu werden, damit niemand anderes die Welt verlassen wollte. Im Himmel war eine Wolke frei und er hat für sich entschieden diese Wolke besetzen zu wollen. Ich gebe ehrlich zu das ich überfordert bin einem 4jährigen den Suizid zu erklären.
Mein kleiner Mann vermisst seinen Papa und fragt oft wie er war, was er gerne mochte und wie es so war als er noch lebte. Ich habe einige Dinge behalten, die vielleicht mal von Wert für meinen Sohn sein werden. Das Lieblingscap von seinem Papa, das gravierte Letherman vom Bund, den Perso, Bilder, 1 T-Shirt, eine Holztafel aus seinem Bundeswehrauslandseinsatz. Andere Dinge habe ich seinem Halbbruder geschickt in Absprache mit dessen Mutter und wiederum andere Dinge gingen an die Mutter von meinem Ex.
Ich habe mir als Credo gesetzt offen meinem Sohn gegenüber zu sein und auf seine Fragen altersgerecht zu antworten. Sein Vater ist zwar tot, wird aber nicht totgeschwiegen. Wir haben auch ein Bild von uns 3en, was Junior sich ausgesucht hat, auf dem Nachttisch von ihm stehen.
Es ist jetzt sehr Ich-bezogen der Text, aber vielleicht kannst Du Dir Anregungen daraus ziehen. Du kannst mir auch gerne eine PN schreiben oder man schreibt mal ne email oder so. Es ist schon schwer für Erwachsene einen geliebten Menschen zu verlieren, aber für Kinder bricht alles weg. Es gibt einen Grund warum ich seit 2 Jahren eine Therapie mache.... Damit ich mit fast 30 vielleicht mal lerne mich selbst zu akzeptieren und nicht immer die Schuld bei mir zu suchen. Die Persönlichkeit wird in der Kindheit geprägt und gerade der Tod eines Elternteils sollte bearbeitet und nicht als "ist halt so" hingestellt werden.
LG
Tinka