Mein Geburtsbericht...SSW 27 im Jahr 1999....sehr ausführlich
Hallo zusammen,
diesen Bericht schrieb ich kurz vor dem 4. Geburtstag meiner Tochter...... diese ist mittlerweile 10,5 Jahre alt und hat keinerlei Anzeichen die auf ihren schweren Start in das Leben hinweisen. Sie ist top fit und auch in der Schule ebenso gut wie ihre Kameraden....sie wechselt nun auf das Gym....ebenso ist sie eine der größten Mädchen in der Klasse mit 151 cm (als Kleinkind immer schlechter Appetit, aber ab ca. 5 Jahren größer als ihre Kameraden, obwohl wir Eltern "normal groß" sind....sie holen sich schon was sie brauchen)
...diese Infos möcht ich allen mittleilen, die auch so kleine Würmchen haben bzw. bekommen haben und ihnen Mut machen das gerade auch solche extremen Frühchen später ebenso die gleichen Chancen haben wie alle normal geborenen. Macht euch nicht verrückt und lasst ihnen einfach nur die Zeit das alles aufzuholen.
Die Schwangerschaft verlief soweit ohne Komplikationen. Ich ging regelmäßig zu den Vorsorgeuntersuchungen die ebenfalls alle in Ordnung waren. Ab der 24 SSW nahm ich schlagartig stark zu (Wassereinlagerung) und hatte auch anfangs etwas Eiweiß im Urin, aber wie der Gyn sagte sei dies nicht problematisch. Zur nächsten Vorsorgeuntersuchung nahm ich diesmal David mit, das Wasser wurde bei mir langsam zum Problem. Mir passen keine Schuhe, Kleider etc. mehr. Selbst meine Freundin die mich 2 Wochen nicht zu Gesicht bekam, erschrak als sie mich sah, da ich auch im Gesicht so aufgedunsen war. Bei der Vorsorgeuntersuchung am 24.02.1999 hatte ich ca. 14 kg Wasser, leicht erhöhten Blutdruck (vorher immer sehr niedrig) und auch wieder Eiweiß im Urin. Eigentlich sind ja dies die klassischen Anzeichen einer Gestose. Also fragte ich den Gyn. dieser meinte es sei soweit alles OK, gegen das Wasser solle ich viel laufen, Reis-Obst-Gemüse Tage einlegen und in 4 Wochen wiederkommen. Allerdings sah er mich nie nie wieder. Genau einen Tag am 25.02.1999 ging die ganze Tragödie los. Es war Abends ca. 22:30 Uhr ich saß im Flur und spielt mit meinen Katzen, mein Ex arbeitete am PC. Da merkte ich anfangs ein leichten Magendruck der zunehmend stärker wurde. Gegen 23:30 Uhr begaben wir uns ins Bettchen. Der Druck ließ aber nicht nach, ich gleich wieder mein Babybuch rausgesucht und nachgelesen. War ja schließlich meine erste Schwangerschaft. Bildete mir ein, das das Baby auf dem Magen lag oder das es all die Organe nach oben schiebt. (So stand es halt im Buch) Allerdings wurde aus dem Druck langsam aber sicher immer stärkere Oberbauchschmerzen und ich musste des öfteren auf die Toilette. Wusste gar nicht welche meiner Seiten ich dieser zuerst zuwenden solle. Mein Ex stand nur dabei und wusste nicht was er machen soll, und ich habe krampfartig nur noch über der Schüssel gehangen und mich auf dem Badboden gekrümmt vor Schmerzen. Er rief den Notarzt an, der meinte aber wir sollen doch lieber ins Krankenhaus, da er keine Untersuchungsgeräte für das noch ungeborene Baby habe. Gesagt getan, Er kutschierte mich ins KH. Ich habe meine Umwelt nur noch wage wahrgenommen, und er war viel zu aufgeregt. Dazu kannte er sich im Klinikum gar nicht aus, und irrte mich im Rollstuhl schiebend durch sämtliche Stationen. Die G1 (Entbindung) fand er ganz zum Schluss *g*. Ca. 1 Uhr nachts schließ mich die Hebamme erstmals ans CTG an. Dann kam eine weitere Frau mit fortgeschrittenen Wehen dazu, und ich lag knapp ne stunde am CTG. Endlich kam eine Frauenärztin und forderte mich auf mit zum Untersuchungszimmer zu kommen. Da das Bett recht hoch war, wollte ich am Fußende langsam runterrutschen. Mein Ex stütze dabei meinen rechten Arm und das war das letzte an das ich mich erinnern kann, das dieser unkontrolliert anfing zu zittern. Ich konnte es nicht steuern und schon hatte ich einen Elepsieartigen Anfall. David legte mich zurück auf das Bett und schrie nach Hilfe. Seiner Worte nach erzähle ich hier nun weiter. Er meinte er hätte so was noch nie gesehen, ich sei im Bett hoch und runter wie bei Exorzist *g*. Und es standen sofort 6 Ärzte, Hebammen und Schwestern um mich herum. Legten x Zugänge aber durch keinen kam auch nur ein Tropfen Blut. ( Hatte irgendwie mit den schlechten Leberwerten und der Blutgerinnung zu tun) Auf jeden Fall dokterten sie stunden lang an mir rum, und ich kann froh sein das ich das alles nicht mitbekommen habe. Obwohl ich die ganze Nacht lang gesprochen habe, kann ich mich an nichts erinnern. David erzählte sie hätten Kanülen wie Fieberthermometer in meine Arme besteckt, darin noch mal ne Kanüle und dann Meterweise Schnüre mit Kügelchen rein und rausgezogen. Für was das Gut war keine Ahnung. Diese ganze Fiasko ging solange bis ein Notarzt vorbei kam und fragte ob sie denn schon den Urin untersucht hätten. Gesagt getan, mir wurde ein Katheter gelegt und am Urin war anscheinend das schwere Hellp-Syndrom erst zu erkennen. Der Oberarzt auch anwesend meinte nur noch sofort OP die Leber fängt an zu brechen. David wurde aufgefordert sein Auto aus der Notaufnahme zu fahren. ( 4,5 Std. hatte es niemanden gestört). Als er zurückkam waren sie mit mir schon auf dem Weg zum OP. David sagt immer er weiß es noch als wäre es gestern gewesen. Ich wurde um 5:15 Uhr in den OP geschoben und im Schwesternbüro lief im Radio das Lied Maria von Blondie. Er saß nun ganz alleine vor dieser großen grünen OP Tür und wartete auf ein Lebenszeichen. Da kam doch nicht wieder dieser Notarzt, der die Idee mit dem Urin hatte und sagte zu David er solle sich für uns beide ja keine Hoffnungen machen. Darüber habe ich mich am meisten geärgert, die Götter in Weiß eben!?! Na ja es dauerte nicht lange und Dr. Gogl Oberarzt der Kinderstation kam gegen 6 Uhr morgens mit einem Inkubator aus dem OP. David konnte nur was winziges in einer gelben Decke gehüllt erkennen. Der Doc forderte ihn auf in mit auf die Kinderintensiv zu kommen. So kam also meine Tochter Lisa-Marie am 26.02.1999 um 5.50 Uhr mit 910 Gramm in der 27 SSW zur Welt. Da sie so klein und die Lungen noch so unreif waren musste sie sofort beatmet werden. Ich dagegen erwachte das erste mal gegen späten Nachmittag, David war anwesend. Meine erste Frage lautete wo ist mein Baby. David erzählte mir alles, aber ich war zu benommen als das ich irgend etwas verstanden oder mitbekommen hätte. Und schlief auch gleich wieder ein. Das zweite Erwachen war dagegen für mich nicht all zu erfreulich, da niemand anwesend war (in unmittelbarer Umgebung) und ich stellte mir selber wieder die Frage wo ist mein Baby. Ich weiß noch wie ich versuchte meinen Bauch zu fühlen und auf Kindsbewegungen wartete. Da ich ja keinen blassen Schimmer hatte was alles in der Zeit meine Bewusstlosigkeit passierte. Das war recht fürchterlich für mich, bis endlich die Schwester merkte das ich wach bin, und mir noch mal alles erzählt. Sie zeigte mir auch gleich ein Polaroid von Lisa-Marie, da war ich überglücklich. An ihr war alles dran was dran gehörte. Sie sah aus wie ein normales, etwas dünnes Baby. Auf dem Foto hatte man aber keine Relation. Noch ein schreckliches Ereignis war, als mich die Schwester morgens gegen halb 5 waschen wollte und ich mich in der Fensterscheibe sah. BOAH bin ich das???? So ein aufgedunsenes Gesicht wie ein Fußball das ich mich selber nicht erkannte. Selbst meine Mutter hat mir 2 Jahre danach gestanden, das sie vor dem Intensivzimmer durch die Fensterscheibe sah, und mich nicht erkannte. Aber zum Glück ließ das nach, und am 6. Tag nach der Geburt wurde ich auf die Wochenstation verlegt wurde, waren lediglich nur noch die Tränensäcke geschwollen. 02.03.1999 war auch der Tag an dem ich das erste mal meine Tochter zu Gesicht bekomme würde. Ich drängte und wollte sofort runter zur Kinderintensivstation, was mir auch niemand verwehrte. WIE AUCH??? Nun stand ich vor dem Inkubator und dachte OH mein Gott. So einen kleinen Menschen hab ich noch nie gesehen, und meine Hoffnungen schwanden. Ich hätte damals gar nicht glauben können, das sie das alles so gut übersteht. Sie war sooo klein, zwar alles dran aber so winzig. Der Oberarzt Dr. Gogl sagte mir schauen Sie sich ihre Tochter an, sie kämpft wie alle Mädchen und forderte mich auf ich solle sie Berühren, streicheln etc. Doch ich hatte anfangs echt so sehr Angst ihr weh zu tun. Ihre gesamte Handfläche war gerade so groß wie mein kleiner Fingernagel (nimmer vorstellen kann!) Von nun an bestimmte nur noch der Gedanke wie viel Lisa-Marie zugenommen hatte den ganzen Tag. Mal waren es 10 mal 20 oder auch mal 30 Gramm pro Tag und jedes Gramm zählte. Wenn ich nun so zurück denke waren die 3,5 Monate ich tagtäglich auf der Kinderintensivstation verbrachte eine richtige Qual, die ständigen Gedanken, wie viel hat sie zugenommen, wie hoch ist die Blutsättigung, hat sie genügend rote Blutkörperchen oder braucht sie wieder eine Bluttransfusion, schafft sie ihre Milch zu trinken, oder muß sie sondiert werden, reicht hoher Sauerstoffgehalt im Inkubator oder braucht sie doch wieder die Atemhilfe oder sogar wieder die volle Beatmung. Aber man wächst mit seinen Aufgaben, für mich war es Alltag geworden um 10 Uhr morgens die abgepumpte Milch ins KH zu bringen und dann mit Lisa-Marie den restlichen Tag über zu känguruhn. So verbrachte ich Tage, Wochen, Monate bis Lisa-Marie endlich vom Inkubator ins Babytherm mit 2010 gr. Verlegt wurde. Ich wusste mit 2600 gr. war sie soweit, und ich durfte sie mit nach hause nehmen. Damals war ich sehr sehr neidisch auf die Mütter, die ihre Babys stolz den Großeltern, Verwandten, Freunde und Bekannten zeigen konnten. Ich war seit 3,5 Monaten Mutter und konnte mein Baby immer nur besuchen. Aber nicht mehr lange. Als es dann langsam so weit war, kam wieder eine niederschmetternde Nachricht. Lisa-Maries Blutwerte sind nicht OK. Wieder Frühgeborenenanämie ( zuwenig rote Blutkörperchen). Ich war am Boden zerstört, die Hoffnung mein Baby endlich mit nach Hause nehmen zu können rückte wieder in weite ferne. Die Ärzte hielten sich zwecks der Entlassung Lisa-Maries sehr bedeckt, und ich war der total Verzweifelt. Dr. Gogl merkte das und schlug mir vor, Lisa-Marie trotzdem zu entlassen. Ich müsse ihr aber 3x täglich Ferro sanol (Eisentropfen) verabreichen und 2x wöchentlich zu Blutuntersuchung ins Krankenhaus kommen. Da war ich überglücklich, ich wollte ihn fast küssen für diese Nachricht. Sofort bestellte ich das Taxi, fuhr nach Hause, holte den Maxi Cosi und Kleidung für Lisa-Marie, fuhr mit dem Taxi wieder ins KH und nahm Lisa-Marie mit. David der zur Besprechung im Hotel war, wollte ich überraschen und fuhr mit Lisa-Marie direkt zu ihm. Endlich nach so langer Zeit habe ich mein Kind endlich bei mir zuhause. Natürlich hatte die Frühgeburt noch viele Komplikationen verursacht z.B. die Entwicklung und ihre Haltung die durch den Inkubator nicht optimal waren. Ein normales Baby liegt zusammengekugelt im Bauch der Mutter. Lisa-Marie dagegen flach auf dem Bauch. Um diese "Haltungsschäden" zu beheben mussten wir mit ihr zur Frühgeborenenphysiotherapie bei der die verschiedenen Entwicklungsphasen eines Säuglings stark gefördert wurden. Auch durch die Beatmung stellten sich Probleme. Im ersten Winter bekam Lisa-Marie mit ca. 8 Monaten ihre erste Erkältung mit Schnupfen und Husten. Anfangs waren diese nicht so schlimm, allerdings der Husten trat immer wieder auf und wurde dann zur Bronchitis, dann spastische Bronchitis bis hin zur Lungenentzündung. Ca. ein dreiviertel Jahr lang zog sich das hin, selbst im Hochsommer wurde es nicht besser. David musste viel arbeiten und bekam auch erst im Herbst Urlaub. Dies war dann die Erlösung. Wir flogen in die Karibik. 2 Tage vor Abflug ging der Husten bei Lisa-Marie wieder los, und ich dachte schon den Urlaub kannste abblasen. Was willst denn mit nem kranken Kind in der Karibik. Aber unsere Kinderärztin sagt auf keinen Fall, Lisa-Marie bräuchte dringend den Klimawechsel und es ist das beste was wir ihr geben können. Gesagt getan, Lisa-Marie wurde über 3 Tage mit Kortison behandelt dazu 2 Wochen Sonne und frische Luft. Sie hatte danach nie nie wieder eine Bronchitis bekommen. Wieder einen Meilenstein geschafft. Nun wird sie bald 4 Jahre alt, und man merkt ihr so gut wie nichts mehr von ihrem schweren Start ins Leben an.