Puh
Also erstmal: Saphira hat Recht! Das Empathievermögen entwickelt sich erst ab dem 3. Lebensjahr. Du kannst also ganz sicher davon ausgehen, dass Dein Sohn nicht versteht, was er da tut.
Meiner ist in einem ähnlichen Alter (19 Monate) und auch wir haben hin und wieder das Thema auf dem Tisch, phasenweise.
Erster Schritt ist für Dich: Beobachten und analysieren. Wie verhaltet ihr euch genau? Was sind die Unterschiede im Verhalten von den Personen, die er haut und den anderen?
Wir hatten längere Zeit das Problem, dass mein Sohn mich ständig gebissen hat. Aber nur mich. Meinen Mann nie und auch Oma, Opa und andere Kinder nicht. Als mir das aufgefallen ist, dass er es wirklich nur bei mir macht, wusste ich auch sehr schnell, warum. Ich habe meist einfach sehr laut und impulsiv reagiert. Klar, tut ja auch weh und vor allem kam es meist überraschend und ich habe mich erschreckt. Für ihn war es einfach lustig, dass ich direkt zusammengezuckt bin und immer "Au!!" gebrüllt habe. Zwar ist es für mich nicht einfach gewesen, das zu unterbinden, aber nachdem ich ein paar Tage ganz bewusst ruhig geblieben bin war es ihm zu langweilig. In dem Fall war es sogar am effektivsten, ihn einfach zu ignorieren. Da er es ja wirklich nur bei mir getan hat, wusste ich ja, dass er eigentlich weiß, dass man das nicht tut.
Fangt bei Deinem Mann an, das habt ihr am besten im Blick und unter Kontrolle. Er muss sich einfach beherrschen, dass er durch seine Reaktion kein Anreiz gibt. Klar, das ist schwer, und nachts sicher erst Recht. Aber es sollte zB auch nicht so schwer sein, dass er nachts aus dem Bett an keine Schlagwaffe rankommt. Mit der Hand ist es schon mal nicht so fies wie mit einer Fernbedienung oder ähnlichem.
Versuch auch herauszufinden, was die Kinder gemeinsam haben, die er schlägt. Fühlt er sich ihnen unterlegen, weil sie zB in der Entwicklung weiter sind (was ja auch einfach am Alter liegen kann)? Oder sind die Kinder besonders laut beim Spielen? Oder sind es Kinder, bei deren Begegnung Du immer besonders abgelenkt bist (zB Gespräch mit den Eltern, weil ihr euch gut versteht, Familienfeiern bezogen auf die Cousine, etc) und er sieht es als einzige Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu bekommen?
Ich denke auch, dass Giraffe Recht hat: Diese doofen Stühle sind Mist. Bei der Supernanny sind sie toll, ja. Oder auch im Kindergarten bei sehr schwierigen Kindern. Aber das sind ganz andere Situationen. Die Supernanny kommt in Familien, in denen gar nichts mehr funktioniert. In der Regel kann man diese Kinder nicht mehr "normal" erreichen, weil schon so viel falsch gemacht wurde. Im Kindergarten sieht es auch anders aus. Hier ist der Sinn eines solchen Stuhles ein ganz anderer. Die Erzieher müssen sich um alle Kinder kümmern. Auf der einen Seite müssen sie die anderen Kinder vor dem einen Kind schützen, das tun sie so lange er auf dem Stuhl sitzt schon mal. Und zweitens haben sie ja auch nicht die Möglichkeit, das schwierige Kind die ganze Zeit intensiv zu betreuen, die anderen Kinder brauchen ja auch Aufmerksamkeit. Du hast zu Hause ganz andere Möglichkeiten.
Statt Deinen Sohn zu bestrafen, solltest Du sein Ziel bedenken. Bei Kindern in dem Alter kann man die meisten Verhaltensweisen auf ein Ziel zurückführen: Sie wollen Aufmerksamkeit. Das ist für Kleinkinder einfach enorm wichtig, ist ja auch logisch, wenn man bedenkt, dass diese Aufmerksamkeit früher davor beschützt hat, dass man Opfer eines wilden Tieres wurde, nur weil die Erwachsenen mit anderem beschäftigt waren. Aus dem Grund bekommt man ungeliebte Verhaltensweisen oft am besten dadurch abgewöhnt, dass man sie möglichst wenig beachtet. Klar, das klingt erstmal total merkwürdig und irgendwie nach antiautoritärem "ich lass alles machen". Aber das meine ich nicht. Grenzen setzen, ja. Aber kein großes Aufsehen machen. Ein geworfenes Spielzeug kann auch kommentarlos oder anfangs maximal mit einem "Wenn Du wirfst, ist es weg." verschwinden. Genauso mit Schlagwaffen. Dagegen sollte es viel Aufmerksamkeit für positive Dinge geben.
Ich habe mir inzwischen folgende Verhaltensweise angewöhnt: Wenn er mir beim Spielen wirklich wehtut (schlagen, beißen, bewusstes Kratzen, Kneifen, etc) nehme ich ihn feste an beiden Oberarmen (also nicht brutal, aber so, dass er sich nicht losreißen kann), schaue ihm fest in die Augen (was ihm seeeeehhhhr unangenehm ist) und sage deutlich aber ruhig "Lass das!", "Nicht hauen.", "Tu mir nicht weh." Oder ähnliches. Einen kurzen Satz, mehr nicht. Dann lasse ich ihn los und verlasse möglichst die Situation. Damit meine ich aber nicht "geh in Dein Zimmer" oder ähnliches. Aber ich wechsele mit ihm den Ort oder die Beschäftigung. Wenn wir vorher auf dem Sofa saßen und gelesen haben, dann gehe ich ins Kinderzimmer und beginne einen Turm zu bauen. Meist kommt er sofort an und ich binde ihn dann freundlich mit ein. In 99% der Fällen kommt er auch gar nicht weiter auf die Idee, irgendwelchen Unsinn zu machen.
Versucht er dagegen meine Aufmerksamkeit durch solches Verhalten zu erlangen, wenn ich mich gerade nicht mit ihm beschäftige, dann reagiere ich natürlich etwas anders. Schließlich will ich ja auch nicht eine Regel nach dem Motto "wenn Du mich beißt, dann spiele ich mit Dir" aufstellen. Meine erste Reaktion ist aber die gleiche: festhalten, angucken und ruhig ermahnen. Danach erkläre ich ihm zB "Ich lege jetzt noch die Wäsche zusammen und dann spielen wir. Du kannst mir helfen, wenn Du magst." Macht er weiter, hängt es davon ab, womit ich gerade beschäftigt bin. In der Regel versuche ich ihn weitestgehend zu ignorieren und gleichzeitig ihm die Möglichkeit zu nehmen, es zu wiederholen. Bei dem Beispiel Wäsche, nehem ich die Wäsche, stehe auf und gehe ins Schlafzimmer um sie dort auf dem Bett fertig zusammenzulegen. Allein das Ignorieren und Aufstehen führt meist zu viel Geschrei. Aber auch dazu, dass er aufhört zu hauen, etc.
Testet er nur meine Reaktion an, also zB ein leichtes angedeutetes Hauen oder vielleicht besser ausgedrückt: ein Patscher, dann guck ich ihn nur traurig an und sage "Nicht hauen, das tut doch weh. Du kannst mich streicheln oder kuscheln." Was er dann meist auch direkt macht. Aber das ist ja auch etwas anderes.
Es ist nicht einfach, aus seinem Verhaltensmuster herauszukommen um etwas zu ändern. Das weiß ich, wie gesagt die Sache mit dem Beißen. Aber es ist sehr hilfreich. Ich habe dadurch gelernt, meine eigene Reaktion in Situationen, die ich nicht haben mag, zu hinterfragen. Vor allem mir selbst folgende Fragen zu stellen: Was ist der Auslöser? Welches Ziel hat mein Sohn in dem Moment mit seinem Verhalten? Was möchte ich durch meine Reaktion erreichen? Wie muss ich mich verhalten damit mein Ziel für meinen Sohn die gewinnbringenste Alternative ist? Wie kann ich die auslösende Situation in Zukunft möglichst vermeiden?
Seitdem ich konsequent ruhig bleibe und seinem schlechten Verhalten so wenig Aufmerksamkeit wie möglich gebe, haben wir übrigens kaum noch Probleme damit.