tomos_11895731Mal aus der Sicht einer psychisch kranken Person...
Ich war selbst in Behandlung. Anfang 2016 wurde bei mir ne mittelschwere Depression festgestellt. Ich war innerlich tot. Ich konnte mich nicht um meinen Sohn kümmern, weil ich die Kraft nicht hatte. Ich musste schon wahnsinnig viel Kraft aufbringen um mich zu duschen. Sich mit Leuten treffen war ganz schlimm... Das lehnte ich ab und das ging mir lange so. Ich wollte meine Ruhe und mein Leben in den Griff bekommen. Ich konnte Wochen nicht arbeiten. Ich war wöchentlich in Behandlung.
Nach der akuten Phase bin ich im Job bei 20 Stunden eingestiegen. Ich brauchte Zeit für mich. Das war bei Vollzeit, Familie und Haushalt nicht möglich. Nach einem dreiviertel Jahr bin ich auf 30 Stunden, dann wieder höher. Jetzt bin ich wieder bei Vollzeit, aber meine Leben ist nicht mehr das alte. Ich lass mich nicht mehr stressen. Wenn ich kein Bock habe auf ein Treffen mit der Familie oder Freunden, dann habe ich keinen Bock. Wenn sie das persönlich nehmen, dann ist das so, aber ich mache mich nicht kaputt nur weil andere Erwartungen an mich haben. Die Zeiten sind vorbei. Ich bin eine andere Person. Ich sehe mein Leben anders und arbeite jeden Tag an mir, damit ich nicht in alte Muster falle und das bekommt natürlich auch meine Familie zu spüren, denn die ist ein Teil meines Lebens. Die Alte wird es nicht mehr geben, denn die Alte wurde depressiv. Die Alte war angreifbar und ich habe gelernt mit solchen Situationen umzugehen. Das konnte die alte nicht. Die Neue ist egoistischer geworden...damit sie nicht mehr krank wird.
Meine Mutter ist übrigens auch psychisch krank... Anders als ich es war, aber depressiv. Sie ist stabil...sie geht in die Tagesklink. Trotzdem würde ich ihr meinen Sohn nicht anvertrauen. Sie würde ihm nicht schaden, aber sie hat mit sich selbst zutun. Sie hat einen Weg gefunden. Sie hat ihren Partner und sie lebt ihr eigenes Leben. Das tut ihr gut. Ich liebe sie...sie ist meine Mutter. Weil ich sie liebe, lasse ich ihr ihr Leben. Ihr geht es gut so wie es läuft und das ist für mich das wichtigste...auf wenn ich meinem Sohn ne weitere Oma wünsche, aber mein Sohn braucht keine kranke Oma, die mit ihm überfordert ist.
Mit Depressionen ist das nicht so einfach. Weder als betroffener noch als Angehöriger. Ich kann dir nur empfehlen ein Gespräch mit dem Psychologen deiner Mutter zu suchen. Das hat mir damals geholfen und meinem Mann auch, als ich krank wurde.
Ich bin bis Februar 2018 zu meinem Psychologen gegangen, obwohl ich schon lange stabil war, aber es braucht Zeit bis man gelernt und akzeptiert hat, dass das Leben jetzt anders ist und man ständig daran arbeiten muss.
Wenn du deine Mutter liebst, dann lass sie machen. Sie findet ihren Weg gerade und wenn er eben so aussieht, dann musst du es akzeptieren...auch wenn deine Erwartungen nicht erfüllt werden.